- Japan: Frühe Kulturen - Von der Jōmon- zur Kofun-Zeit
- Japan: Frühe Kulturen - Von der Jōmon- zur Kofun-ZeitVermutlich hat der Mensch die vormals noch durch eine Landbrücke mit dem Festland verbundenen japanischen Inseln bereits vor mehr als 200 000 Jahren zu besiedeln begonnen. Der Anfang der die Altsteinzeit ablösenden jungsteinzeitlichen Jäger-und-Sammlerkultur der Jōmon-Zeit wird heute auf 10 500 v. Chr. angesetzt, früheste keramische Funde werden ins 7. Jahrtausend v. Chr. datiert. Die sich außerordentlich langsam entwickelnde Jōmon-Kultur wurde um 400 v. Chr. von der Yayoi-Kultur abgelöst. Über Kyūshū eindringend, breiteten sich die aus Südostasien kommenden mongoliden Stämme der Yayoi-Kultur schnell auf das östliche Japan aus und mischten sich mit der bereits dichten Jōmon-Bevölkerung, soweit sie diese nicht ins Bergland oder den Norden (bis Hokkaidō) und Süden (bis Okinawa) abdrängten. Im Zentrum der frühgeschichtlichen Bronzekultur der Yayoi, der fruchtbaren Yamato-Ebene um Nara auf Honshū, ließen sich schließlich um 250 n. Chr. die führenden Stämme der aus Korea neu zugewanderten Kofun-Kultur (auch Dolmen- oder Altgräber-Kultur genannt) nieder. Aus ihrer Mitte ging die kaiserliche Sippe hervor, die sich das Land unterwarf und in der Asuka-Zeit (552-646) zu einem zentralisierten Staatswesen buddhistischer Religion einte.Die Jōmon-Kultur erhielt ihren Namen von den mit Schnurmustern (japanisch »jōmon«) dekorierten keramischen Gefäßen, die im Früh-Jōmon, seit dem 5. Jahrtausend v. Chr., an die Stelle der früheren, mit dem Daumennagel bearbeiteten Keramik traten. Es existieren zwei Jōmon-Gefäßtypen: einer mit flachem und einer mit spitz zulaufendem Boden. Ihre Muster sind mittels gedrehter oder geknoteter Schnüre, später auch durch geschnitzte Stäbe, aufgebracht, die über den noch feuchten Ton gerollt wurden. Seit etwa 2500 v. Chr. werden Flammenstil-Gefäße mit nach dem Trocknen aufgebrachten, voluminösen Tonwülsten und gelochten Henkeln verziert, die den Gefäßkörper mit einem komplexen Relief von Spiralen und durchbrochenen Applikationen überziehen. Auch die Gefäße dieser aufwendig dekorierten, bei niedriger Temperatur gebrannten Irdenware dienten nicht kultischen Zwecken, sondern wurden als Vorratsgefäße, zum Kochen oder gemeinsam beim Mahl benutzt. Zur roten Keramik traten in der späten Jōmon-Zeit schwarze, teilpolierte Kannen sowie bereits mit rotem Lack überzogene kleinere Sakralgefäße.Ebenfalls aus Ton geformt sind Armreifen, Ohrschmuck und menschengestaltige Idole. Diese rituell gebrauchten Objekte unterscheiden die Jōmon-Kultur von anderen Kulturen der mittleren Steinzeit. Die meist weiblichen, kleinen Idole weisen eine ähnliche Musterung auf wie die Jōmon-Keramik. Ihre stilisierten Augen hat man auch »Schneebrillen« genannt. Heute glaubt man, dass die Figuren Masken und Tätowierungen wiedergeben. Unsicher ist, ob die meist in zerbrochenem Zustand in Muschelhaufen gefundenen Figuren magischen Heilungsritualen dienten oder aber Fruchtbarkeitsidole sind. Über die Jenseitsvorstellungen der Jōmon-Menschen weiß man wenig. In den Hockerbestattungen, die man inmitten von Siedlungen mit Grubenhäusern gefunden hat, befanden sich noch keine Grabbeigaben. Die enge Verbindung von Grab und Wohnhaus wird als ein Zeichen für den Glauben an das Weiterleben der Toten unter den Lebenden gedeutet.Im Stadtteil Yayoi in Tokio wurde 1884 erstmals ein Exemplar der schmucklosen, rötlichen Haji-Keramik gefunden. Der Fundort gab der Yayoi-Kultur ihren Namen. Tiefe Kochgefäße und Krüge, aber auch zum Opfern von Speisen bestimmte Stielgefäße, darunter Zeremonialgefäße im Kleinformat, lassen die neuen Lebensgewohnheiten der Ackerbau treibenden Zuwanderer erkennen. Die aus Korea kommenden Yayoi-Stämme brachten um 100 v. Chr. auch den Reisanbau nach Japan. Feste Siedlungen, die Herstellung von Metallwerkzeug für den Ackerbau, aber auch Waffen zur Verteidigung ihrer Siedlungen kennzeichnen diese Kultur. Bronzewaffen wie Schwerter und Speere sowie Bronzeglocken (Dōtaku) und Spiegel mit teils geometrischem, teils figürlichem Dekor zeugen von der aus Korea und China importierten Technik des Bronzegusses. Die in steinernen Modeln gegossenen, von innen angeschlagenen, monumentalen Dōtaku-Glocken wurden wohl beim Erntedankfest aufgehängt; die Spiegel legte man prominenten Häuptlingen der Bauern-und-Kriegerkultur ins Grab. Die befestigten Dörfer der Yayoi-Kultur boten den Toten keinen Platz mehr. Sie wurden außerhalb der Siedlungen in Friedhöfen beigesetzt. Die Größenunterschiede von Urnen- und Hügelgräbern, deren größte mit Steinsärgen und exotischen Kostbarkeiten wie Spiegeln, Perlen, Muscheln und Waffen ausgestattet sind, zeugen von sozialer Hierarchie und dem Prestige der Häuptlinge.Seit dem späten 4. Jahrhundert begrub man kostbar verziertes, vergoldetes Pferdegeschirr wie Steigbügel und Trensen festländischer Herstellung mit anderen Grabbeigaben. Man nimmt an, dass ein von Korea eindringendes Reitervolk, das bis ins 6. Jahrhundert an einem lebhaften Handel mit China und Korea festhalten sollte, die Yayoi-Häuptlinge dank seiner militärischen und kulturellen Überlegenheit unterworfen hatte. Auch die durch interne Stammesfehden geförderte Waffenproduktion der Yayoi erfuhr eine Neuerung: An die Stelle der auf ausländischen Blei-Import angewiesenen Bronze tritt in der »Altgräber«-Kultur der Kofun-Zeit das im Land gewonnene Eisen als Material für Schwerter und Lanzen. Koreanische Handwerker brachten jetzt auch den Hochtemperaturbrand (über 1 000 ºC) im Tunnelofen und die Drehscheibe nach Japan. Davon zeugt die graue Sue-Ware, die anfangs nur für Opfergefäße und Grabbeigaben bestimmt war.Seit der Mitte des 3. Jahrhunderts entstand der Typ des Königen und Fürsten vorbehaltenen, schlüssellochförmigen Hügelgrabs. Die riesigen, von Wassergräben umschlossenen Gräber enthielten Grabkammern für mehrere Särge einer Sippe. Da die größten unter ihnen, die bei Osaka gelegenen Kaisergräber aus dem 5. bis 7. Jahrhundert, bisher nicht geöffnet wurden, ist ihr Inhalt unbekannt. Auf frühen Hügelgräbern standen »Haniwa« (= Tonringe) in Form von einfachen Tonzylindern, die seit dem 4. Jahrhundert durch Tonmodelle von Häusern, Menschen und Tieren auf Tonröhren ersetzt wurden. Die aus rotem Ton gefertigten Haniwa-Figuren wurden in wenigen Werkstätten, vermutlich unter der Aufsicht von Koreanern, von spezialisierten Werktruppen modelliert und gebrannt. Die bemalten Figuren sind im Innern hohl, höchstens 50 cm hoch und geben Kleidung und Gestalt mit naiver Freude an Detail und Körperlichkeit wieder. Die auf dem Grab stehenden Haniwa stellten möglicherweise im Modell Grabtempel und ihre Grabdiener in Nachahmung der chinesischen Kaisergräber mit ihren oberirdischen Gebäuden für den Totenkult dar. Die Aufgabe der Haniwa, dem Grabherrn im Jenseits zu Diensten zu sein, lässt jedenfalls auf die bildmagische Funktion der frühen japanischen Plastik schließen.Der Übergang von der Jōmon- zur Yayoi-Zeit und von dieser zur Kofun-Kultur war vom Import jeweils neuer Techniken und Lebensformen aus dem ostasiatischen Festland begleitet. Man nimmt aber an, dass die Einwanderung fremder Völkerschaften kampflos verlief und zur allmählichen Überlagerung der älteren durch jüngere Kulturen führte. So mag die Koexistenz eigener und fremder Kulturformen, die Japan bis heute wesentlich von China unterscheidet, ihren Ursprung im friedlichen Akkulturisationsprozess der Frühgeschichte haben. In der über 10 000 Jahre währenden Jäger-und-Sammlerkultur der Jōmon kann man jedoch auch den Urboden des japanischen Lebensgefühls erkennen, das sich durch starke Naturverbundenheit und eine aus dem Material entwickelte Ästhetik auszeichnet.Prof. Dr. Doris Ledderose-Croissant
Universal-Lexikon. 2012.